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Hypatia von Alexandria ca. 370-415
Eine der bedeutenden Naturwissenschaftlerinnen war Hypatia, die im vierten Jahrhundert nach Christus an der damals berühmten Universität von Alexandria, dem Museion, Mathematik, Astronomie und Philosophie lehrte. Obwohl ihre Werke der Nachwelt nicht erhalten geblieben sind, lassen sich anhand von Quellentexten und zeitgenössischer Enzyklopädien einige Rückschlüsse auf ihre wissenschaftlichen Leistungen und ihr Leben ziehen.
Hypatia war eine allseits bekannte Persönlichkeit. Ihre Teilhabe am öffentlichen Leben von Alexandria stellte in der damaligen Zeit eine nicht zu unterschätzende Besonderheit dar, denn das antike Weiblichkeitsideal legte den Frauen im wesentlichen Zurückgezogenheit und Bescheidenheit auf. "Die beste Frau ist die, von der man am wenigsten spricht", lautete ein von dem antiken Historiker Thukydides verbreiteter Grundsatz. Das Leben der meisten Frauen vollzog sich somit jenseits der Öffentlichkeit im Kreis der Familie. Die den Männern zugänglichen Bildungseinrichtungen blieben ihnen versperrt. Der Unterricht durch Väter oder Ehemänner stellte für viele Frauen der Antike die einzige Möglichkeit dar, überhaupt eine fundierte Bildung zu erlangen. Hypatia hatte Glück. Ihr Vater war der griechische Mathematiker und Philosoph Theon, der seiner Tochter eine sorgfältige Ausbildung zukommen ließ.
In den historischen Quellen werden Hypatia außergewöhnliche Intelligenz und Charakterstärke nachgesagt. Socrates Scholastikus, ein Zeitgenosse, schildert sie als selbstbewusste Frau, die keine Scheu zeigte, sich in der Gesellschaft von Männern frei zu bewegen. Außerdem preist er Hypatias großes Wissen, mit dem sie sämtliche Philosophen ihrer Zeit ausstach. In einem spätantiken Gelehrtenlexikon wird darauf hingewiesen, dass sich die griechische Wissenschaftlerin vor allem mit der Philosophie von Platon und Aristoteles beschäftigte. Hypatias Begabung war jedoch äußerst vielseitig. Neben ihren bemerkenswerten Leistungen im Bereich der Philosophie, tat sie sich auf astronomischem und mathematischem Gebiet hervor.
Hypatia verfasste ein 13-bändiges Werk zu der "Aritmetica" des Diophant, der im dritten Jahrhundert nach Christus in Alexandria gelebt hatte. Moderne Wissenschaftshistoriker bescheinigen Diophant, dem sogenannten "Vater der Algebra", die Einführung genialer mathematischer Operationsmethoden, denen erst die Zahlentheoretiker der Neuzeit Gleichwertiges an die Seite stellen konnten. Dass Hypatia sich intensiv mit der diophantschen Zahlentheorie auseinandersetzte, das heißt alternative Lösungen und neue Problemstellungen formulierte, lässt Rückschlüsse auf ihre hohe wissenschaftliche Qualifikation zu. Darüber hinaus schrieb Hypatia eine achtbändige Abhandlung zu den Kegelschnitten des Apollonius von Perga, der ein Zeitgenosse Diophants war. Die mathematischen Untersuchungen kegelförmiger Figuren dienten unter anderem dazu, den Verlauf der Planetenbahnen beschreiben zu können. Die Kegelschnitte stellten eine der Grundlagen für den Durchbruch des heliozentrischen Weltbilds dar, also der Annahme, dass die Erde um die Sonne als Mittelpunkt kreist.
Hypatia interessierte sich ebenfalls für Mechanik und angewandte Technologie. Sie soll das Astrolabium erfunden haben, mit dem die Position der Sterne, der Planeten und der Sonne bestimmt werden kann. Die Erfindung eines zweiten wissenschaftlichen Instruments, des sogenannten Hydrometers, wird ihr ebenfalls zugeschrieben. Mit dem Hydrometer kann das spezifische Gewicht von Flüssigkeiten, die Dichte, gemessen werden.
Von vielen ihrer Zeitgenossen wurde Hypatia bewundert und verehrt. Zugleich war sie - als Nichtchristin und Anhängerin des aufklärerisch wirkenden griechischen Bildungsguts - einigen Vertretern des sich in Alexandria immer stärker ausbreitenden Christentums aber auch ein Dorn im Auge. Dem Christentum galt die antike hellenistische Wissenschaft und Philosophie als heidnisch, ketzerisch und als ein Werk des Teufels. Hypatia provozierte auch als Frau durch ihre unabhängige Lebensweise. Sie hatte sich gegen die Ehe entschieden, die sie in der damaligen Zeit unweigerlich in die Abhängigkeit eines Mannes gebracht hätte. So fand Hypatias Leben ein grausames Ende. Sie wurde im März 415 von fanatischen Christen brutal ermordet.
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