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Frauen |
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Geschlechterverhältnisse
Es ging in der Vermittlung von Wissen und in der Anwendung von Geräten immer darum, wer dazu Zugang hatte oder an der Weiterentwicklung beteiligt war. Hierbei spielte das Geschlechterverhältnis in den jeweiligen Gesellschaftssystemen und Kulturen eine große Rolle. In Europa besaßen nur vereinzelt Frauen in den letzten 2000 Jahren politische Macht und die meiste Zeit keine eigenen Rechte. Selbstverständlich besaßen viele Männer ebenfalls keinen freien Status. Doch bis ins Mittelalter, also bis ins 15. Jahrhundert, waren Frauen wesentlich breiter in handwerklichen und produzierenden Bereichen einflussreich tätig, als es danach bis weit ins 20. Jahrhundert hinein der Fall sein sollte.
Frauen arbeiteten in Produktionsstätten in leitenden Funktionen auf den Feudalhöfen oder später in den Städten beispielsweise als Handwerkerinnen. Ab Mitte des 12. Jahrhundert entwickelten sich die Tätigkeiten der einstigen Bäuerinnen in der Stadt zu eigenen Berufen. Viele Frauen erwarben Bürgerinnenrechte und konnten damit ein Handwerk oder eine Handelstätigkeit ausüben. Mädchen (wie Jungen) konnten Schulen besuchen und Elementarkenntnisse in Lesen, Schreiben und Rechnen erwerben. Eine erhebliche Zahl der Frauen war in verschiedenen Bereichen der Textilbranche tätig. Frauen arbeiteten als Bäckerin, Ölmacherin, Schmiedin, Geldwechslerin, Zinsmeisterin oder Kornverkäuferin. Eine wichtige Gruppe sind auch die Schreiberinnen, die zugleich als Buchhalterinnen, Übersetzerinnen oder Lehrerinnen arbeiten. Hier sind besonders viele Frauen zu finden, da im frühmittelalterlichen Deutschland dem Lesen und Schreiben noch der Ruf des Weibischen anhängt. Verheiratete Frauen üben selbständig ein Gewerbe aus oder führen in Arbeitsteilung den Betrieb. Dies galt lange Zeit nicht nur für freie Gewerbe, sondern auch für die Zunftbetriebe. Aus einigen Städten sind Frauenzünfte (Garnmacherinnen, Goldspinnerinnen, Seidmacherinnen und Seidspinnerinnen) überliefert. Als Heilkundige und Hebammen sind sie beim Volk geachtet.
In Bezug auf die Rolle von Frauen in der Kirche ist die Beginenbewegung bemerkenswert, die sich im 12. und 13. Jahrhundert in ganz Europa ausbreitete. Diese laienreligöse Bewegung bestand aus Tausenden von Frauen, die in sog. Konventen zusammen wohnten und arbeiteten. Die Reformbewegung wollte an christliche Urgemeinschaften erinnern und deren vermeintliche Werte wie Solidarität, Bescheidenheit und religiöse Ernsthaftigkeit neu leben. Trotz offener Kritik an der Kirche stellte der Papst sie unter seinen Schutz. Die Frauen kamen aus allen Ständen. Sie waren zum Teil sehr gut ausgebildet, betrieben Schulen sowie eigene Handwerkstätten. In einigen Städten wie zum Beispiel in Köln wurden sie zur bedeutenden ökonomischen Macht.
Erst aufgrund einer allgemeinen Wirtschaftskrise wurden im Laufe des 16. Jahrhundert die Frauen über neue Zunftordnungen mit ihren wirtschaftlich eigenständigen Organisationen oder als freie Handwerkerinnen immer mehr verdrängt. Die Mädchenbildung in städtischen und privaten Schulen wurde stark eingeschränkt. Der Machtanspruch der Kirche und die Spannungen in der Reformation bildeten den Ausgangspunkt für jene Form des Frauenhasses, der mit sogenannten Hexenverfolgungen zwei Jahrhunderte lang systematischen Massenmord an Frauen bewirkte. Hunderttausende fielen dem zum Opfer und Wissen von Frauen wurde unwiederbringlich ausgelöscht.
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