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Informatik
(Im)Materialität von Rechen- und Planungssystemen

Wir wissen heute darüber vor allem etwas, wenn es uns schriftlich oder in Gegenständen überliefert worden ist. Wer alles in einer frühen Gesellschaft die Kenntnisse besaß, Zahlensysteme zu verwenden oder zu interpretieren, ist oft nicht mehr herzuleiten.

Zahlensysteme sind älter als Schriftsysteme. Beispielsweise entwickelte sich in Mesopotamien vor über 5.000 Jahren die Schrift aus Zahlzeichen, mit denen Tierbestände, Warenlieferungen und andere Geschäfte auf Tontafeln festgehalten wurden. Ihr Zweck waren Planungen und Verwaltung auf der Grundlage dieser Buchhaltung. Erst später entstand hieraus eine Schrift, die gesprochene Sprache symbolisierte.

Über Zahlensysteme, die auf vergänglicherem Material wie Wolle oder Stroh basierten, ist heute weniger bekannt. So verwendeten die Inkas in Südamerika bis zur Kolonisierung durch Spanien im 16. Jahrhundert sogenannte Quipus als Rechen- und Verwaltungshilfsmittel. "Quipu" ist das Quetschua-Wort für "Knoten, Zahl, Rechnung". Ein Quipu bestand aus einem Bündel von Schnüren aus Wolle oder Baumwolle, das an einer Kopfschnur befestigt war. An den einzelnen Schnüren symbolisierten verschiedene Arten von Knoten unterschiedliche Zahlenwerte. Auch die Position der Knoten entlang der Schnur und die Schnurart sowie die Farben und Längen der Schnüre hatten eine genaue Bedeutung. Die Inka-Herrscher verwendeten Quipus, um die Größe ihrer Armee aufzuzeichnen; die Inka-Familien benutzten sie, um über ihren Besitz wie Kleidung, Mais, Lamas oder Gold genaue Daten zu speichern, also "Buch" zu führen. Im gesamten Inka-Reich gab es Personen, die im Auftrag des Staates Quipus lasen und führten, um sie für Steuererhebungen und Volkszählungen zu verwenden. Quipus wurden im Land weitertransportiert und archiviert. Somit dienten sie auch zur Überlieferung von Geschichte. Bei der Landbevölkerung in Peru werden heute noch Knotenbündel zur Aufzeichnung von Viehbeständen benutzt.

Knotensysteme und Abstraktionen über stoffliche Dinge werden auch aus anderen Kulturen überliefert, beispielsweise dem alten chinesischen Buch der Weissagung I-Ging. An jüdischen Gebetsmänteln verdeutlichen Knoten bestimmte Zahlenwerte. Knotenschüre wurden auch in Deutschland gegen Ende des 19. Jahrhunderts zur Abrechnung von Müllern mit den Bäckern benutzt. Auf den japanischen Ryukyu-Inseln finden sich noch im Anfang des 20. Jahrhunderts Datenspeicher aus Stroh, mit denen Arbeiter ihre Arbeitstage auf"zeichnen". Unsere Knoten im Taschentuch zeugen von dieser Tradition der Merkhilfen.